Unter dem Schleier
November 2006
Plato erwähnt das Thema Atlantis sowohl im Timaios als auch im Kritias.
Er nennt es eine Sage.
Unter einer Sage versteht man:
die ursprünglich mündlich
überlieferte Form der Erzählung, die teilweise fantastische und wunderbare
Elemente enthält, im Gegensatz zum Märchen aber an
historische Begebenheiten, Personen oder bestimmte Örtlichkeiten anknüpft.
Es gibt also keinen Grund Atlantis als bloße
Phantasie abzutun.
Plato datiert das Ende von Atlantis auf eine Zeit
von vor 11.350 Jahren von jetzt zurückgerechnet. Dass uns so wenig Details
überliefert sind soll daran liegen, dass es nach dieser globalen
Menschheitskatastrophe eine ungeheure Zerstörung gab und die Überlebenden erst
einmal ans nackte Überleben dachten.
Die Götter selbst waren es, welche in Atlantis
eine Kolonie gegründet hatten. Solange hier das eigentliche göttliche Erbe
vorherrschte, war Atlantis eine blühende Kolonie. Doch auch hier kam es zu
Habgier und Machtstreben, was dann auch den Fall, bzw. Untergang einleitete.
In Folge die Aussagen Platos zu Atlantis, welche
ich in seinen Schriften fand. Ich habe mich allerdings auf die aussagestärksten
Hinweise beschränkt.
Kritias: Ich will eine alte Sage berichten,
die ich aus dem Munde eines nicht eben jungen Mannes vernahm, denn Kritias war
damals, wie er sagte, fast an die Neunzig heran, und ich stand etwa im zehnten
Jahre. ..... und
die Sage, die er aus Ägypten mit hier hergebracht hatte, .... Was war
denn das für eine Sage, Kritias? fragte er. Sie betraf gewiss die größte und
mit dem vollsten Rechte wohl von allen berühmteste Heldentat, die unsere Stadt
zwar vollbrachte, von der
jedoch die Kunde wegen der Länge der Zeit und des Untergangs derer, die sie
voll führten, sich nicht bis zu uns erhielt. Erzähle, bat ihn der
andere, von Anbeginn an: was und wie und von wem hatte das Solon als eine wahre
Begebenheit vernommen und erzählt?
... ihr hegt
in ihnen keinerlei alte, auf altertümliche Überlieferung gegründete Meinung
noch ein durch die Zeit ergrautes Wissen. Davon liegt aber darin der Grund:
Viele und mannigfache Vernichtungen der Menschen haben stattgefunden und werden
stattfinden, die bedeutendsten durch Feuer und Wasser, andere geringere durch
tausend andere Ursachen. Denn das, was auch bei euch erzählt wird, daß einst
Phaeton, der Sohn des Helios, der seines Vaters Wagen anschirrte, was auf der
Erde war, verbrannte, weil er die Bahn des Vaters nicht einzuhalten vermochte,
selbst aber, vom Blitze getroffen, seinen Tod fand, das wird zwar in der Form eines Mythos berichtet,
ist aber in Wahrheit eine Abweichung der am Himmel um die Erde kreisenden
Sterne und eine in großen zeitlichen Abständen stattfindende Vernichtung der
auf der Erde befindlichen Dinge durch mächtiges Feuer. Dann pflegen nun
diejenigen, welche Berge und hoch und trocken gelegene Gegenden bewohnen, eher
als die an Flüssen und dem Meere Wohnenden unterzugehen; uns aber rettet der
auch sonst uns Heil bringende Nil aus solcher Not, wenn man ihm die Fesseln löst.
Bei euch und den
andern dagegen ist man jedesmal eben erst mit der Schrift und allem andern,
dessen die Staaten bedürfen, versehen, dann bricht nach Ablauf der gewöhnlichen
Frist wie eine Krankheit eine Flut vom Himmel über sie herein und läßt von euch
nur die der Schrift Unkundigen und Ungebildeten zurück, so daß ihr wiederum vom
Anbeginn gewissermaßen zum Jugendalter zurückkehrt, ohne von dem etwas zu
wissen, was sowohl hier als auch bei euch zu alten Zeiten sich begab. Deine
genealogischen Ausführungen von eben also, Solon, die du über die Leute bei
euch machtest, unterscheiden sich nur wenig von Kindergeschichten, da ihr zu
nächst nur einer Überschwemmung, obwohl deren vorher viele stattfanden, euch
erinnert und ferner nicht wißt, daß das unter den Menschen schönste und
trefflichste Geschlecht in eurem Lande entsproß, dem du entstammst und euer
gesamter jetzt bestehender Staat, indem einst ein winziger Same davon
übrigblieb. Das blieb euch
vielmehr verborgen, weil die am Leben Erhaltenen viele Menschengeschlechter hindurch
starben, ohne sich schriftlich äußern zu können.
Die Zahl der
Jahre aber seit der Einrichtung unseres Staates ist bei uns in den
geweihten Schriften auf achttausend Jahre angegeben. Von deinen vor neuntausend Jahren lebenden
Mitbürgern nun will ich dir ganz kurz die Gesetze und die schönste Heldentat,
die von ihnen vollbracht ward, berichten; das Genauere über alles der
Reihe nach aber wollen wir ein andermal in Muße erörtern, indem wir die
Schriften selber zur Hand nehmen.
Plato lebte 427 – 347 v.u.Z. D.h., die
Zeit, um die es hier geht dürfte weiter als 11.350 Jahre zurück liegen. Also
fast dreimal so weit in die Vergangenheit als die Sintflut bzw. fast doppelt so
lange zurück bis nach Adam gemäß der biblischen Chronologie!
Sie war aus der Fremde vom
atlantischen Meer her gekommen.
Damals war
nämlich dieses Meer bereisbar; denn vor dem Eingange, den ihr, wie ihr sagt, die
Säulen des Herakles nennt, besaß es eine Insel; die Insel war aber größer als
Libyen und Asien zusammengenommen; von ihr stand den damals Reisenden der
Zugang zu den übrigen Inseln offen, von den Inseln aber zu dem ganzen
gegenüberliegenden Festland, das um jenes wahre Meer gelegen war. Denn das
Gebiet hier, welches innerhalb jenes Einganges, von dem wir sprechen, liegt,
erscheint als ein Hafen mit einer engen Einfahrt. Jenes aber wäre wohl wirklich
Meer, das es vollkommen umgebende Land aber mit dem vollsten Rechte Festland im
wahren Sinne zu nennen.
Auf dieser Insel Atlantis also entstand eine
große, wundervolle Macht von Königen, welche die ganze Insel beherrschte sowie
viele andere Inseln und Teile des Festlandes, außerdem
herrschten sie noch über Gebiete diesseits der Säulen des Herakles, und
zwar hier über Libyen bis Ägypten, über Europa aber bis Tyrrhenien. Diese ganze
Macht nun verband sich zur Einheit und unternahm es einmal, euer und unser Land
und das gesamte diesseits des Eingangs gelegene in einem Anlauf zu unterjochen.
Als aber in
späterer Zeit gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen eintraten, versank während eines einzigen
schrecklichen Tages und einer Nacht eure ganze Heeresmacht mit einem Male unter
die Erde, und in gleicher Weise verschwand auch die Insel Atlantis,
indem sie in das Meer versank. Dadurch ist auch das dortige Meer unbefahrbar
und unerforschbar geworden, weil der in geringerer Tiefe befindliche Schlamm,
den die untergehende Insel hervorbrachte, hinderlich ist.
Nach meiner
Heimkehr aber überdachte ich es nachts und bekam fast alles wieder ins
Gedächtnis zurück, da gewiß, wie man zu sagen pflegt, das von Knaben Erlernte
in bewundernswürdiger Weise im Gedächtnis haftet. Denn ich weiß nicht, ob ich
wohl imstande sein würde, alles, was ich gestern hörte, im Gedächtnis wieder
aufzuspüren. Dagegen würde es mich sehr wundern, wenn, mir etwas von dem, was
ich vor sehr langer Zeit genau hörte, entfallen wäre. Damals also vernahm ich
es unter großer Lust und Kurzweil, indem der Greis auf meine oft wiederholten
Fragen mich bereitwillig beschied, so daß es wie die Einbrennungen eines unauslöschlichen Gemäldes
in mir haftet.
Die Götter verteilten einst
unter sich die ganze Erde nach ihren Gegenden, und zwar durch das Los, nicht im
Streit.
Von ihnen haben sich nur die
Namen erhalten, ihre Taten
aber verschwanden durch die verschiedentliche Vernichtung derjenigen,
welche die Kunde übernommen hatten, und durch die Länge der Zeit aus
dem Bewußtsein. Denn
das jeweils überlebende Geschlecht blieb, wie schon vorher gesagt wurde, als
auf Bergen hausend und der Schrift unkundig zurück und kannte nur die
Namen der Herrscher im Land vom Hörensagen und daneben nur weniges von ihren
Taten. Diese Namen nun gaben sie ihren Nachkommen gern, die Leistungen und
Gesetze der Früheren aber kannten sie nicht, außer einigen dunklen Gerüchten
über die einzelnen.
Da nämlich Solon die Absicht
hatte, diese Erzählung für seine eigene Dichtung zu benutzen, forschte er genau
der Bedeutung der Eigennamen nach und fand, daß jene Ägypter, welche als erste
sie aufzeichneten, dieselben in ihre Sprache übertragen hatten; da nahm er
seinerseits wiederum den Sinn jedes Eigennamens vor, übertrug ihn in unsere
Sprache und schrieb ihn nieder. Diese Aufzeichnungen nun befanden sich bei
meinem Großvater und befinden sich jetzt noch bei mir und sind von mir schon
als Knaben gründlich durchforscht worden. Wenn ihr also derartige Namen
hört, wie sie auch hier üblich sind, soll es euch keineswegs
wundernehmen, wißt ihr doch nun den Grund davon.
Wie im vorigen von der
Verlosung der Götter gesagt wurde, daß sie unter sich die ganze Erde in bald
größere, bald kleinere Lose verteilten und für sich Heiligtümer und Opfer
einrichteten, so erloste
also auch Poseidon die Insel Atlantis und siedelte seine Nachkommen, die er mit einem sterblichen
Weibe zeugte, auf einem folgendermaßen beschaffenen Ort der Insel an. Am
Meer und über die Mitte der ganzen Insel hin lag eine Ebene, die die
schönste aller Ebenen und von trefflicher Fruchtbarkeit gewesen sein soll. An
der Ebene wiederum lag in der Mitte (ihrer Längenerstreckung), etwa 50
Stadien (vom Meer) entfernt ein allerwärts niedriger Berg.
Er selbst aber stattete, da er
ja ein Gott war, ohne Schwierigkeit die in der Mitte liegende Insel gehörig
aus, indem er zwei Wasserquellen aus der Erde heraufführte, deren eine ihrer
Quelle warm, die andere kalt entquoll, und indem er mannigfaltige und
hinreichende Nahrung aus der Erde hervorgehen ließ.
An männlichen Kindern erzeugte
er fünf Zwillingspaare und zog sie auf; er teilte die ganze Insel Atlantis in
zehn Teile und gab dem von den beiden ältesten Söhnen früher
geborenen den mütterlichen Wohnsitz und den diesen rings umgebenden Anteil, der
der größte und vorzüglichste war, und er setzte ihn zum König über die übrigen Brüder
ein, die übrigen aber zu Herrschern.
Jedem von ihnen gab er eine
Herrschaft über viele Menschen und ein Gebiet weiten Landes. Allen gab er Namen, dem Ältesten
und Könige aber denjenigen, nach welchem auch die ganze Insel und das Meer
seine Benennung erhielt, welches das Atlantische hieß, weil damals der erste
König den Namen Atlas führte. Dessen später
geborenem Zwillingsbruder, dem der Anteil des äußersten Inselbezirkes von den
Säulen des Herakles bis zum heutigen Gadeirischen Gebiet zugefallen war,
welches nach jenem Ort (Gadeira) benannt wird, gab er einen Namen,
der auf Griechisch Eumelos bedeutet, in der Landessprache aber Gadeiros hieß, ein
Name, der wohl diesem Land den Beinamen gegeben haben dürfte. Von dem
zweitgeborenen Paar nannte er den einen Ampheres, den anderen Euaimon; bei dem dritten Paar gab er dem früher
Geborenen den Namen Mneseus,
dem nach diesem Geborenen den Namen Autochthon; von dem vierten Paar nannte er den
früheren Elasippos, Mestor den späteren. Bei
dem fünften Paar wurde dem
vorher Geborenen Azaes
als Name gegeben, dem Späteren Diaprepes.
Diese alle nun selbst so wie deren Nachkommen wohnten hier über viele
Geschlechter und beherrschten viele andere im Atlantischen Meer gelegene
Inseln und übten zudem noch, wie schon früher gesagt wurde, ihre Herrschaft
über die innerhalb der Säulen des Herakles hier Wohnenden bis nach
Ägypten und Tyrrhenien hin aus.
Diese so gewaltige und so
geartete Macht nun, welche damals in jenen Gegenden bestand, formierte der Gott
und führte sie gegen unsere Lande aus etwa folgendem Anlaß, wie es heißt. Viele Geschlechter hindurch,
solange noch die Natur des Gottes in ihnen genügend stark war, waren sie den
Gesetzen gehorsam und freundlich gesinnt gegen das ihnen verwandte
Göttliche; denn ihre Gesinnung war wahrhaftig und durchaus großherzig, indem
sie Sanftmut gepaart mit Vernunft gegenüber den jeweils eintretenden
Wechselfällen des Lebens und gegenüber einander übten. Deshalb
mißachteten sie alles außer der Tugend, ...
Auf Grund einer derartigen Überlegung
also und weil die göttliche Natur bei ihnen blieb, gedieh ihnen alles
früher Geschilderte. Als aber der Anteil des Gottes in ihnen da durch schwand,
daß er viel und häufig mit Sterblichem versetzt. wurde, und der menschliche
Charakter die Oberhand gewann, da vermochten sie bereits nicht mehr ihre Lebens
umstände zu ertragen und benahmen sich schändlich und erschienen dem, der sehen
konnte, als häßlich, indem sie das Schönste unter allem Wertvollsten zugrunde
richteten; dagegen wurden sie von denen, die nicht imstande waren, ein wahrhaft
zur Glückseligkeit führendes Leben zu sehen, damals erst recht für
vollkommen schön und für glückselig gehalten, wo sie erfüllt waren von
ungerechter Habgier und Macht.
Aber der Gott der Götter Zeus,
der nach Gesetzen waltende, erkannte, da er derartiges zu durchschauen
vermochte, daß ein wackeres Geschlecht beklagenswerten Sinnes sei, und
beschloß, ihnen eine Strafe aufzuerlegen, damit sie, zur Besonnenheit gebracht,
verständiger würden, und er versammelte
die Götter alle in ihrem ehrwürdigsten Wohnsitze, welcher im Mittelpunkt der
gesamten Welt steht und alles überschaut, was des Werdens teilhaftig
wurde; nachdem er sie versammelt hatte, sprach er:
An dieser Stelle bricht der Bericht des Kritias abrupt ab. L
Autor: B.
Freytag
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